Noch bin ich unterwegs, bis Samstag dauert die Friedenspilgerwanderung, am Sonntag ist die Rückreise.
Es geht mit gut! Seit 3 Tagen pilgert mit mir Jutta aus Flensburg.
Es ist bereits fühlbar, das sich der Bogen von Anfang der Reise (Ende März) bis Ende abzeichnet. Es ist dabei rund zu werden. Vieles vieles vieles habe ich für mein Buch aufgezeichnet, einiges Weniges konnte ich bisher nur mitteilen. Im Moment sind wir auf dem 1215 Meter hohen Fichtelberg und ich schreibe Euch von Hotelschreibtisch.
Dienstag, 27. Mai 2008
Fichtelberg
Donnerstag, 15. Mai 2008
Prag
Ich bin seit zwei Tagen in Prag.
Kurz bevor ich Theresienstadt, die Ghettostadt und Vernichtungsstadt aus der Nazizeit erreichte, sah ich ein Schild das sagte 62 km bis Prag.
Ich war noch nie dort, in mir hallte die Bezeichung "goldene Stadt" und mein Interesse lag auch daran, festzustellen, gibt es womoeglich einen aetherischen goldenen Tempel ueber der Stadt? Die Chance schien sehr gut, in nur 4 weiteren Tagen Prag zu erreichen und damit auch das Herz von Tschechien. Alles kam innerhalb kurzer Zeit zusammen, ein Mann auch Hessen, setzte sich zu mir an den Tisch, an dem ich eine Pizza einnehmen wollte, und hatte die gesuchte Tschechien/Uebersichtskarte, die ich fuer die Entscheidung jetzt dringend brauchte. Er riet mir dazu, es schien mir auch irgendwie logisch und es fuehlte sich gut an. Innerhalb 2 Stunden hatte ich mich entschieden.
Theresienstadt ist jetzt ueberwiegend Gedenkstaette an die Zeit der Nazis und die 140.000 Juden, die hier durchgeschleusst oder umkamen. Aber es leben auch Menschen dort, und man fuehlt eine Unsicherheit, wie weit darf man an einem solchen Ort leben, lebendig sein. Die Kinder taten es nachmittags, aber..... Ich finde, an diesen Orten des Grauens, wie sie bezeichnet werden, muessen auch Stellen der Hoffnung geschaffen werden, Informationen nicht nur ueber das Abscheuliche, sondern auch, wie kann ich Frieden innen und aussen lernen, Mitgefuehl, dafuer arbeiten und beten, fuer eine bessere Welt usw.
In einem anderen Teil der Stadt wurden die politisch Gefangenen "gehalten" und gefoltert.
In der Naehe, an einer Stelle der Eger, die kurz danach in die Elbe/tschechisch Labe fliesst, wurden 22.000 Aschereste von Juden in den Fluss gekippt. Eine Treppe fuehrt hinunter zum Fluss, ein symbolisches Grab und ein Denkmal steht da und eine schoene Trauerweide. Diesen Gedenkort finde ich toll. Nach einem solchen Leidensweg in die Natur entlassen zu werden, finde ich fuer meine Vorstellung noch am Angenehmsten, die Asche verteilt sich im Fluss, hat Kontakt zum Meer, zur symbolischen Einheit.
Hier hab ich dann einen Stein hineingeworten und ein Tannenzapfen schwimmen lassen.
Seit ich hinunter aus den Bergen kam, hat sich mein leichter Tinitus gemeldet, den ich entwickelt habe, seit ich an der deutsch-polnischen Grenze entlangging. Am Beginn in Tschechien war er mal wieder weg, hat sich aber nicht unterkriegen lassen. Ich wollte das auch erst nicht so recht wahrhaben und zugeben, ging dann einige Tage spaeter doch mal fuer diesen Ton. Da resonierte auch ein Zahn, auf den ich die Nacht vorher enorm gebissen hatte. Das hatte dann zur Folge, das ich eine Zahnaerztin 2 Tage vor Prag und die ambulante Zahn-Notfallklinik in Prag besucht habe. So erhaelt man auch Einblick in das Gesundheitswesen eines Landes.
Jetzt soll ich immer brav spuelen, zwischen Zahn und Zahnfleisch, mit so ner besonderen Spritze. Klappt ganz gut. Zudem habe ich "Painkiller" (Schmerztoeter) Tabletten gekriegt.
Zu dem ganzen hatte ich dann auch noch einen kleinen Sonnenstich mit ein bisschen dollen Schwitzatacken und etwas, wirklich nur etwas, Schuettelfrost.
Ich denke mal, ich hab nicht so gut auf mich aufgepasst. Immer wieder laufe ich in diese Falle, zuviel zu machen. Das muss und will ich lernen. Genau das richtige Mass zu finden. Ich merke es immer erst, wenn das Mass schon uebergelaufen ist, vorher bin ich mir dessen nicht so bewusst. Meine Antennen muessen geschaerft werden.
Auf jeden Fall erhole ich mich jetzt in Prag, schlafe viel, schau mir die schoene Stadt an. Gestern gerate ich fast zufaellig in ein Balett im Nationaltheater und morgen gehe ich nochmal hin "A Walk Worldwide" (Eine Wanderung weltweit). Das passt doch zu meiner Pilgerei. Ich weiss zwar noch nicht genau, was es ist, handelt sich wohl um ein Musical, aber der Titel hat einfach dermassen ueberzeugt.
Den goldenen Tempel.......? Hab ich noch nicht so'n Zugang, kommt vielleicht spaeter.
Zwischendurch habe ich mal nen englischen Newsletter verfasst, worauf eine nette Antworten kamen. Vor allem die Leute, die gerade mit Thich Nhat Hanh in Vietnam sind haben beruehrend geschrieben.
Thich Nhat Hanh hat in deren Retreat alle Teilnehmer gebeten, folgendes bei jedem Schritt zu bedenken und damit achtsam zu sein:
each step is life
each step is a miracle
each step is healing
each step is freedom
jeder schritt ist leben
jeder schritt ist ein wunder
jeder schritt ist heilung
jeder schritt ist freiheit
Wer sich die Dharma-talks anhoeren will, kann dies unter
http://www.langmai.org/HTML_files/ChuyenDiVietNam2008/phapthoai.html
tun. Vietnamesisch (hihihihi) und englisch.
Also, damit ich mich nicht schon wieder zu sehr ins Zeug schmeisse, hoere ich auf mehr zu schreiben.
Von Herzen und mit Euch atmend
Thomas
Dienstag, 6. Mai 2008
Aus dem wunderbaren Tschechien
ich danke euch erst mal wieder fuer eure unterstuetzung in welcher form auch immer. sie kommt an bei mir und ich bin sehr dankbar dafuer.
Der Wechsel von der deutsch-polnischen grenze nach tschechien war dramatisch im positiven sinne.
am 1. mai hab ich in etwa 700 metern hoehe direkt auf der grenze geschlafen. mit allerherrlichstem ausblick nach deutschland, polen und tschechien.
am naechsten tag fuehle ich mich fast unheimlich befreit, befreut, erleichtert und mich superwohl in tschechien. alles schien mir dort soviel leichter zu sein. es schien mir so viel offenheit, geoeffnet sein.....
das bestaetigte sich in den naechsten tagen, die menschen hier scheinen so zufrieden zu sein, gluecklich mit dem was ist, was sie haben und mit der welt im einklang - zumindest im gebirge, wo ich bisher war.
heute bin ich in decin - uebernachten werde ich wohl in einem bordell-bar aehnlichen hotel - smile - aber ich war schon dabei bei der zimmersuche genervt zu sein, so habe ich es einfach genommen. ich denke ich kriege von den nebenzimmern nix mit - alles ist ziemlich schall isoliert.
also nochmal zurueck zu meinen eindruecken. in einem kleinen ort namens studeny in den bergen schien es mir sogar modellhaft optimal. jeder schien jedem das zu geben, was er brauchte, alles geben, halfen jedem, und versuchten alles, damit alle gluecklich waren und sie waren selbst so gluecklich, so ein tolles leben zu fuehren. in so schoener natur in einem so schoenen netten ort mit so lieben netten menschen.
ich habe die letzten 6 tage so schoene natur gesehen, ich bin begeistert und habe mich innerlich sehr entspannt.
wusste gar nicht, wieviel anspannung sich in mir angesammelt hatte.
hab auch wieder angefangen, rituale zu machen, zu singen, baeume zu kuessen und zu umarmen, habe volle wertschaetzung fuer die natur und ihre kraft und all die menschen, die diese natur hier bewahren. ihr seht, ich bin ziemlich gut drauf und begeistert.
ausserdem ist mir weiteres klar geworten
einmal zum thema polen: das was ich bisher schon vermutet hatte, hat sich bestaetigt. und es ist mir jetzt danach richtig klar geworden. am anfang der grenzbegehung hatte ich ein erlebnis mit einem baumkreis, der mich nach nachfrage nicht in sein zentrum lassen wollte.
dies habe ich so verstanden, das ich keine erlaubnis habe, direkt fuer das polnische kollektive bewusstsein arbeiten zu duerfen, sondern erst mal abwarten muss. ich glaube spaeter habe ich mal zu maike bemerkt, die mich damals begleitete, das ich vielleicht den ganzen weg einfach nur gehe, bis ich halt diese erlaubnis bekomme.
in der ganzen zeit habe ich sehr wenig rituale gemacht, mir vielen einfach keine ein, bzw. war es irgendwie nicht dran.
ich bin ja in der aufgabe von heilung und frieden unterwegs und da ist mir etwas begegnet, was ich so .... bezeichnen moechte. mir wurde als derjenige, der diese aufgabe hat, folgendes gespiegelt, sonst kenne ich die polen auch anders. es ist ein aspekt, der tief aus dem inneren der polnischen seele kommt.... so versteht bitte meine beschreibung nicht falsch, sondern auf das, was zu heilen ist, damit frieden eintreten kann.
ich empfinde "die polen" etwas skeptisch, unsicher, verunsichert, teils aengstlich ..... und so aehnlich. das beziehe ich auf einfluesse von aussen, die ich meine in ihrer geschichte begruendet zu sehen. das polnische volk hatte eine weile gar kein land, nach dem ersten weltkrieg land zurueckbekommen und danach noch mehr land bekommen. allerdings mussten vielen polen aus dem osten - jetzt ukraine - umgesiedelt werden.
Sie zogen in eine gegend, die sie vielleicht gar nicht wollten und auch nicht so recht wussten, ob sie da bleiben konnten. vielleicht koennten ja die deutschen wieder kommen und sie muessten wieder umziehen, umgesiedelt werden, land verlieren etc......
in polen habe ich viele leute gefragt, aber meisst haben sie gesagt, das sie dieses gefuehl nicht mehr haetten..... hier in tschechien habe ich mit einem polnischen paearchen geredet, die mir das allerdings bestaetigten und auch sagten, und meine annahme bestaetigten, das den polen auch selbstwert fehlt und eben diese unsicherheit da ist, ob alles so sein darf wie es ist, oder uebergeordnet wieder ungewollte veraenderungen eintreffen koennten.
und nachdem ich diese spannung, das schwere nicht mehr fuehle, seitdem ich in tschechien bin, macht alles soviel sinn, unter anderem auch das mit dem zweifel. auch sei es aengstliche ablehnung fuer ein quartier, sei es, das ich wenn es eine stadt in polen und deutschland gab, ich immer schnell auf die deutsche seite "gefluechtet" bin..... usw.
und ich habe beschlossen, fuer die polen eine zusaetzliche pilgerei zu unternehmen. naemlich nochmal nach czestochowa zur schwarzen madonna zu pilgern, allerdings diesmal zu fuss von dem ort an der oder, wo ich die oder hinter mir gelassen habe - das ist ungefaehr von frankfurt-slubice und sind etwa 350 km. diese pilgerei mache ich dann fuer das polnische volk und ihr trauma und fuer dessen heilung. und zur madonna haben sie vertrauen und deswegen pilgere ich dorthin und tue dies zusammen mit der schwarzen madonna, mit ihrer hilfe. und das wird bestimmt auch eine sehr schoene erfahrung, da der besuch dort auch in meinem herzen noch nachwirkt und schwingt und wunderschoen ist.
das zweite thema betrifft die route im anschluss an tschechien. urspruenglich hatte ich vor, mich durch thueringen bis zum brocken zu bewegen, einen teil der alten innerdeutschen grenze gehend, danach richtung niederlande. jetzt habe ich beschlossen, und da waren zwei begegnungen auch am 2. mai ausschlaggebend und inspirierend, die ganze alte innerdeutsche grenze zu bepilgern, quasi von hof bis luebeck. und daraus ergibt sich natuerlich auch eine andere streckenfuehrung in der folge. so werde ich danach von luebeck nach hamburg, bremen und dann ich die niederlande gehen, danach suedwaets. dies betrifft natuerlich teils das naechste jahr. und auch dies macht fuer mich so viel mehr sinn, fuehlt sich so richtig an, auch wenn es weiter ist.
ich freue mich riesig, das in den letzten tagen soviel klarheit in mir entstanden ist, entspannung, das ich das gefuehl auch nach dem heutigen tag habe, es atmet in mir und beatmet mich. friede haelt einzug.
von decin gehe ich in den naechsten tagen bis nach terezin-theresienstadt. dort gab es ein judenghetto und ein kz. dafuer werde ich etwa 3-4 tage suedwaets brauchen, danach gehe ich dann wieder richtung westen. ins gebirge auf deutscher und tschechischer seite und zurueck auf die europawanderwege, die so wunderbare wege sind, durch die allerschoensten landschaften. ich bin so dankbar all denen, die das ausgearbeitet haben und ausgeschildert haben.
soweit so gut.
von herzen an euch alle und die mich bei dieser aufgabe unterstuetzen
fuer frieden und heilung in dieser welt
danke
Thomas
und: noch immer duerft ihr mitpilgern.
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